13.05.2021

Finance Business Next

„Bei uns ist das Factoring nur ein Add-on zu unserem Hauptprodukt.“

13.05.2021  | Philipp Oberleitner

Auf dem 6. afb Market and Innovation Event beleuchten eine Reihe von Experten das Thema Customer Onboarding aus verschiedenen Perspektiven. Ein ausgewiesener Factoring-Experte ist Dennis Wallenda, Geschäftsführer der JITpay Financial GmbH. Dieses Unternehmen digitalisiert die Abrechnungsprozesse in der Logistik: eine Zentralabrechnung wird mit einem eigenen Supply-Chain-Finance-Produkt kombiniert, das die sofortige Bezahlung der Leistungserbringer ermöglicht.

Dennis Wallenda berichtet in seiner Session auf dem Speed Innovation Market, wie sich der Start von Geschäftsbeziehungen technisch beschleunigen lässt und beschreibt die Neugestaltung von Prozessen zwischen einem Auftraggeber und vielen Sub-Unternehmen über eine digitale Plattform. Einen ersten Einblick über erfolgreiches Factoring in der Logistikbranche gibt er im folgenden Interview.

Dennis Wallenda, Geschäftsführer der JITpay Financial GmbH

Im Interview und Referent beim 6. afb Market and Innovation Event: Dennis Wallenda, Geschäftsführer der JITpay Financial GmbH

Wie kann ein Unternehmen in drei Minuten Factoring-Kunde bei JITpay werden? Brauchen Sie keine Unterlagen oder eine Verifikation bzw. Legitimation des Antragstellers?

Grundsätzlich müssen wir die gleichen Anforderungen erfüllen wie auch andere Factoring-Unternehmen. Die Besonderheit ist unser Geschäftsmodell: Denn wir akquirieren immer zunächst den Schuldner. Zudem sind wir ausschließlich in der Logistik-Branche tätig. Hier sprechen wir mit einer Spedition, für die viele kleine Fuhrunternehmer arbeiten. Diese Spedition, wenn sie sich denn entscheidet, mit JITpay zusammenzuarbeiten, lädt dann diese Sub-Unternehmen ein, sich auf unserer Plattform zu registrieren. Parallel bekommt JITpay von der Spedition die Daten über ihre Fuhrunternehmen, die von hoher Qualität sind, weil die Geschäftsbeziehungen im Allgemeinen schon sehr lange bestehen.

Wir haben also schon Informationen, die uns Vorab-Prüfungen ermöglichen. Deswegen konzentrieren wir uns in der Online-Antragsstrecke, die ein Sub-Unternehmen durchläuft, auf entsprechende Abgleiche der Angaben mit den Informationen, die wir vom Spediteur oder über Auskunfteien bekommen haben, sowie die Prüfung nach dem Geldwäschegesetz.

Das ist bei uns relativ einfach, weil unsere Kunden in der Regel kleinere Unternehmen sind: zu einem Großteil inhabergeführte Unternehmen oder Kleingewerbetreibende. Da sind die notwendigen Prüfungen wie zum Beispiel die Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten weniger komplex.

Die Legitimationsprüfung nimmt die meiste Zeit in Anspruch, also die Identifikation der Person, die tatsächlich tätig ist. Hier arbeiten wir mit Partnern zusammen, die uns verschiedene Verfahren zur Legitimationsprüfung ermöglichen. Deswegen dauert es mitunter nur wenige Minuten, bis ein Fuhrunternehmer unser Onboarding unter Beachtung aller aufsichtsrechtlichen Vorschriften durchlaufen hat und mit JITpay vertraglich in einer Geschäftsbeziehung steht.

Was macht Ihr Unternehmen anders als andere Factoring-Anbieter?

Wir haben das Factoring nicht neu erfunden. Bei uns – und das mag jetzt etwas komisch klingen – ist das Factoring eigentlich nur ein Add-on, ein zusätzlicher Service. Das Hauptprodukt von JITpay ist die Zentralabrechnung von Frachtleistungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.

Da wir mit unserem Hauptprodukt Transparenz schaffen und die Abrechnung von Frachtleistungen für beide Parteien übernehmen, haben wir eine sehr hohe Sicherheit, dass die entstandene Forderung auch tatsächlich werthaltig ist. Denn anhand der vielen in Echtzeit und von beiden Seiten vorliegenden Daten haben wir die Gewissheit, dass die Leistung auch erbracht ist. Und wir wissen auch, wie die Leistung erbracht ist. Damit können wir nach den zwischen den Parteien vereinbarten Tarifen und Verträgen abrechnen. Die Rechnung bzw. in unserem Fall die Gutschrift, die in der Zentralabrechnung erzeugt wird, ist nahezu einredefrei. Etwaige Differenzen wären vorab geklärt worden. Denn wir vergleichen die Daten, die wir inklusive Geodaten aus dem Führerhaus des Fuhrunternehmens bekommen, mit den Angaben des Auftraggebers.

In der Folge fließen dann nur zweifelsfrei von uns festgestellten Forderungen in unser Factoring-Modul. Daher haben wir im Unterschied zu anderen Factoring-Anbietern andere Möglichkeiten zum Management des Risikos. Wir zahlen im Grundsatz 100 Prozent der Forderungssumme an den Fuhrunternehmer. Damit unterscheiden wir uns sicher von anderen Factoring-Unternehmen für diese Klientel.

Die Logistik gilt für Außenstehende als „analoge“ Branche, wo man praktisch alles noch anfassen kann und Frachtpapiere physisch vorliegen. Wie positiv oder negativ stehen die Marktteilnehmer einer Digitalisierung der Prozesse gegenüber?

Da haben wir sehr unterschiedliche und auch überraschende Erfahrungen gemacht. Grundsätzlich sind alle Marktteilnehmer immer interessiert an neuen Ideen. Die Logistikbranche wird aktuell geradezu überrannt mit einer Fülle an Innovationen zu verschiedenen Themen. Aber ich kenne keinen Anbieter außer uns, der sich um die Digitalisierung und Optimierung der Abrechnungsprozesse kümmert.

Als wir 2016 gestartet sind, hatten wir die Erwartung, dass JITpay ein Produkt für den kleineren Mittelstand ist. Wir haben jetzt festgestellt, dass wir auch bei den größeren Spediteuren auf großes Interesse stoßen. Wir treffen einen Nerv, weil die gegenwärtigen Abrechnungsprozesse aktuell sehr aufwändig, analog und geradezu umständlich sind. Mit unserem Angebot der Digitalisierung und Vereinfachung rennen wir auf Ebene der Geschäftsführung offene Türen ein. Bei der operativen Umsetzung gibt es dann natürliche Widerstände, weil wir langjährig etablierte Prozesse verändern. Wir greifen tief ein in das Auftrags- und Abrechnungsmanagement einer Spedition.

Insgesamt durchläuft die Branche einen digitalen Wandel. Bei größeren Speditionen gibt es daher auch häufig schon eigene Einheiten für Digitalisierungsprojekte, was uns den Zugang oft erleichtert. Wir sehen uns gut aufgestellt, unseren Teil zu den notwendigen Veränderungen beizutragen.

Mit welchen Argumenten überzeugen Sie Neu-Kunden am besten?

Das ist unterschiedlich, denn in unserem Kombi-Angebot sind drei einzelne Produkte enthalten. Wir digitalisieren die Auftragsstrecke, wir übernehmen die Abrechnung einschließlich der Klärung von eventuellen Differenzen sowie der Erstellung von Belegen und am Ende bieten wir noch das Factoring zur Vorfinanzierung der Rechnungen an. Unsere Leistung hat also viele Nutzenaspekte, die von den Zielkunden ganz unterschiedlich bewertet werden. Für den einen Spediteur ist die Digitalisierung und Auslagerung der Prozesse ein wichtiges Argument, um seine Ressourcen anders einsetzen zu können. Anderen Speditionen ist die Bindung der Lieferanten wichtig: Mit JITpay kann er eine automatische Rechnungstellung und eine sofortige Zahlung bieten.
Fuhrunternehmer überzeugen wir mit der Automatisierung der Prozesse durch unsere App und natürlich mit dem Zahlungseingang nach 48 Stunden statt nach 45 Tagen.

Welchen Aufwand betreiben Sie, um Ihre digitalen Lösungen weiter zu entwickeln?

Wir haben gerade im letzten Jahr viel entwickelt. Drei Viertel unserer Belegschaft besteht aus Software-Entwicklern. Ein Team in Berlin kümmert sich nur um unsere Telematik-Anwendung. Wir haben sehr viele Ideen, was es an Ausbaustufen für unser aktuelles Produkt noch geben könnte. Wir betreiben also einen hohen Aufwand und sehen uns diesbezüglich auch als Tech-Unternehmen.

Eine Verständnisfrage: Über welche Endgeräte lässt sich das Produkt von JITpay nutzen?

Der Fuhrunternehmer hat eine App auf seinem Smartphone über die er seine Standortdaten, seine aktuellen Auftragsdaten und noch einiges mehr an JITpay meldet. An der Entladestelle kann er einen Dialog starten, um die Ablieferung inklusive Fotos und sämtlicher Ablieferungsnachweise zu dokumentieren. Die zentrale Abrechnungslösung in JITpay stellt dann den Kunden die Abrechnungsbelege zur Verfügung und übermittelt die notwendigen Daten an das Factoring-System. Dieses übernimmt den Ankauf und das Management der Forderung.

Welche Lessons Learned können Sie aus der Gründung und Markteinführung Ihrer Leistungen nennen?

Ich kann empfehlen, sich am Anfang permanent selbst zu hinterfragen und nicht davor zurückzuschrecken, mehrere Monate Entwicklungsarbeit komplett „in die Tonne zu treten“, weil die zugrundeliegende Idee zwar sehr gut, aber nicht zielführend ist. Es gilt, sehr genau zu verstehen, was der Markt wirklich fordert. Hierbei hatten wir anfangs eine steile Lernkurve.
Wichtig ist es, schnellstmöglich Dinge auf dem Markt zu probieren. Wir haben eine Spedition hier aus Braunschweig dafür gewinnen können, unsere Lösung und speziell einige Funktionen zu testen. Diese Rückmeldungen sind ein wichtiger Input.

Entscheidend ist auch, das notwendige Know-how zusammenzubringen: JITpay ist als Tech-Unternehmen in der Logistikbranche tätig und gleichzeitig als Factoring-Anbieter auch ein Finanzdienstleister, für den die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zuständig ist. Das hierfür notwendige Wissen gibt es nicht in einer Person. Hier gilt es, ein Team zusammenzustellen, was in der Regel nicht von heute auf morgen geht.

Schließlich besteht die Gefahr sich zu verrennen. Wenn man auf jeden Kundenwunsch eingeht, wird das Produkt immer komplexer. Es ist aber unser Bestreben und Anspruch, einen Standard zu schaffen. Das ist für unser Produkt und für unseren Erfolg ganz entscheidend.

Herzlichen Dank für das Gespräch. Ich freue mich auf Ihre Session auf dem Speed Innovation Market beim 6. afb Market and Innovation Event am 28. Mai 2019 in München.

Das Interview fand im Vorfeld des 6. afb Market and Innovation Event statt. Sie sind an weiteren Informationen und Best Practices zum Thema Digital Customer Onboarding interessiert? Dann nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf.

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