28.08.2024

Finance Business Next

ESG-Integration in das Leasinggeschäft: Herausforderungen und Chancen

28.08.2024  | Philipp Oberleitner

Wie in vielen anderen Branchen spielt die Integration von ESG (Environmental, Social, Governance) auch in der Leasingbranche in 2024 eine zentrale Rolle. Dies liegt an der Kombination aus zunehmenden regulatorischen Anforderungen, steigendem Druck seitens Investoren und Leasingnehmern sowie intern der Notwendigkeit, Risiken besser zu managen.

Vor diesem Hintergrund stößt man immer wieder auf die Grundidee, dass die Integration von ESG-Kriterien in Leasingstrategien den beteiligten Akteuren große Vorteile bringen kann, indem sich die Unternehmen als verantwortungsbewusste Marktteilnehmer positionieren und langfristige Wettbewerbsvorteile sichern können. Ob diese Vorstellung in der Praxis umsetzbar ist, ist zunächst einmal für den Leasinggeber (Finanzdienstleister) und den Leasingnehmer (Unternehmen oder privater Verbraucher) jeweils eigenständig zu bewerten. Darüber hinaus offenbart eine genauere Analyse, dass noch viele Voraussetzungen geschaffen werden müssen, damit die Wirkungskette dieser Idee auch in der Praxis funktioniert.

Welche Auswirkungen eine ESG-Integration für das Leasinggeschäft in der aktuellen Praxis tatsächlich haben kann und welche Rolle hierbei die IT spielen wird, beleuchtet dieser Artikel. 

ESG – Was ist das?

Hinter dem Akronym verbergen sich die drei Begriffe Environmental, Social und Governance. Wie es bei Begriffsbildungen dieser Art zu erwarten ist, gibt es keine einfache Checkliste für die dahinterstehende Bedeutung. Was mit ESG gemeint ist, wird aber schnell deutlich, wenn man die konkreten Handlungsfelder betrachtet, die diesen Begriffen zugeordnet werden. Handlungsfelder im weitesten Sinne sind Aktivitäten, die Unternehmen durchführen müssen, sollen oder können.

Das Environmental-Kriterium steht für die Einwirkung von Unternehmen auf die Umwelt und ihren Beitrag zum Umweltschutz. Hierunter fallen z. B. Maßnahmen zum Klimaschutz, die Förderung biologischer Vielfalt oder auch der Themenbereich Treibhaus-Emissionen.

Das Social-Kriterium steht für die soziale Verantwortung, die ein Unternehmen übernimmt. Exemplarisch hierfür geht es um Punkte wie Arbeitsbedingungen, -standards und gesellschaftliches Engagement – auch in der Lieferkette. 

Der Governance-Bereich beschreibt den Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung. Hier trifft man auf Teilbereiche wie z. B. Compliance, Maßnahmen gegen Korruption und Geldwäsche oder auch den Umgang mit Whistleblowing.

Häufig wird Handlungsbedarf in Unternehmen durch Veränderungen der Rechtslage (z. B. Verschärfung von Berichtspflichten) hervorgerufen. Das ist auch bei der Integration von ESG der Fall. Neue Gesetze wie die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verlangen detaillierte Nachhaltigkeitsberichte, denen auch die Leasinggesellschaften Rechnung tragen müssen - für sich selbst und mit ihren Finanzierungen. Unternehmen, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden, riskieren Strafen und Reputationsverluste. Soweit Leasinggesellschaften aktuell noch nicht (direkt) durch die neuen Regelungen erfasst werden, kann – z. B. im Rahmen ihrer Refinanzierung – sich (indirekt) die Notwendigkeit einer umfassenden Transparenz einstellen, da die sie finanzierenden Banken diese einfordern. Es ist also Zeit zu handeln!

ESG-Integration im Leasing zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Wunschvorstellung

Wie eingangs erwähnt, gibt es viele Ebenen, wie ESG in das Leasinggeschäft integriert werden kann. Dies beginnt bereits bei der Wahl der Geschäftspartner im Rahmen einer Leasingbeziehung. Aus Sicht der Leasinggesellschaft wird künftig die Auswahl der Leasingpartner und -objekte entscheidend nach Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren erfolgen müssen – ebenso wie eine entsprechende Portfoliosteuerung aufzubauen ist.

Dabei können Leasinggesellschaften die Unternehmen für die gute Erfüllung von ESG-Kriterien „belohnen“. In diesem Zusammenhang taucht der Begriff „ESG Linked Leasing“ auf: ESG Linked Leasing geht über die bloße Berücksichtigung von ESG-Kriterien hinaus und knüpft die Leasingkonditionen an die ESG-Performance des Leasingnehmers. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen, die bestimmte ESG-Ziele erreichen oder übertreffen, von besseren Leasingkonditionen profitieren können, wie z. B. von niedrigeren Zinsen oder flexibleren Vertragsbedingungen.

Beispiel: Ein Technologieunternehmen könnte einen Leasingvertrag abschließen, der eine jährliche Reduktion der CO₂-Emissionen seiner geleasten Geräte fordert. Bei Erreichung dieser Ziele könnten die Leasingkosten im folgenden Jahr gesenkt werden. So werden Anreize für nachhaltiges Wirtschaften mit direkten finanziellen Vorteilen geschaffen.

Wirklichkeit

Um die oben angeführten Ansätze bezüglich ihrer Praxistauglichkeit in das richtige Licht zu rücken, muss man beachten, welche gesetzlichen und organisatorischen Voraussetzungen bezüglich Datenverfügbarkeit, -erfassung und -auswertung vorliegen müssen. Hier stellt man fest: Die Praxis ist oft noch weit weg von der im vorherigen Absatz angeführten Grundidee. Dies beginnt bereits bei der Gesetzeslage. Man stelle sich vor, dass ein Braunkohlehersteller Investitionen in umweltfreundliche Assets leasen will. Die Wunschvorstellung wäre, dass diese ESG-Integration dem Braunkohlehersteller positiven Einfluss auf die Leasingkonditionen bescheren würde. Leider scheitert dieses Gedankenspiel bereits an der Gesetzeslage: Solange eine Bewertung des Schuldners (und seiner Branche) stattfindet und nicht eine Bewertung des Assets, ist die Investition „nicht grün“. Daher hat ein Braunkohlehersteller heute (als Leasingnehmer) keine guten Ratings aus Umweltsicht. Die Intention, in ein umweltfreundliches Asset zu investieren, dringt also noch nicht durch zu der angedachten Verbesserung der Leasingkonditionen.

Außerdem wird bei der Betrachtung vernachlässigt, dass eine Weitergabe (als Belohnung) ohne weiteres gar nicht möglich ist. Leasinggesellschaften können den Vorteil gar nicht weitergeben. Das würden sie nur tun (können), wenn sie es schaffen würden, die Refinanzierung ebenfalls günstiger zu machen. Aktuell ist aber noch kein nennenswerter Zinsspread feststellbar. Am Ende werden „braune“ Investitionen teuer, da die Leasinggesellschaft bei ihren Refinanzierungspartnern keine / nur teure Refi-Mittel bekommen werden – oder erhöhe Eigenkapitalanforderungen zu unterlegen haben. „Günstiger“ kann es aktuell nur durch Einbeziehung von Fördermitteln werden, aber sei hier ausgeklammert.

Betrachtet man die Auswirkungen, die die Einbeziehung von ESG-Kriterien in das Leasinggeschäft auslösen vor dem Hintergrund der aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen, dann bildet sich der Schwerpunkt vor allem auf dem Feld der Berichterstattung aus, d. h. auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Wird zwischen Leasinggesellschaft (Finanzdienstleister) und Leasingnehmer (Unternehmen) differenziert und beleuchtet man die Außensicht und die Innensicht, dann kann man sich die durch ESG-Integration initiierten Themen-Schwerpunkte als Matrix vorstellen. 

Wie im Einstieg bereits kurz erwähnt, lassen sich beim ESG-Reporting, welches das Konzept der doppelten Wesentlichkeit verfolgt, die Handlungsschwerpunkte aus zwei Perspektiven einnehmen:

  1. Outside-in-Perspektive: Auswirkung von ESG-Faktoren auf die Performance, Marktstellung und die Entwicklung von Instituten.
  2. Inside-out-Perspektive: Darstellung, wie Institute im Gegenzug ESG-relevante Auswirkungen auf die Gesellschaft bzw. Umwelt haben können.

Beleuchtet man aus diesen beiden Perspektiven die Auswirkungen auf das Leasinggeschäft, so muss man konsequenterweise auch zwischen dem „normalen Unternehmen“ und den „Finanzunternehmen“, d. h. den Leasinggesellschaften unterscheiden. Es gibt also auch die beiden Perspektiven:

  1. Unternehmen
  2. Finanzwirtschaft

Die folgende Matrix deutet die unterschiedlichen Schwerpunkte aus der jeweils spezifischen Sicht an:
 

Eine Vertiefung der einzelnen Felder würde an dieser Stelle zu weit führen, wird aber demnächst ebenfalls auf diesem Blog behandelt.

Herausforderungen und Vorteile der ESG-Integration im Leasing

Herausforderungen

Wie aus der Matrix ersichtlich ist, sind die Herausforderungen für Unternehmen und Leasinggesellschaften von unterschiedlicher Natur. 

Das Leasinggeschäft ist bereits seit Jahren – immer stringenter werdend – reguliert. Trotz gegenteiliger Beteuerungen seitens der Regulierungsbehörden scheinen die zu beachtenden Regulierungen immer umfassender zu werden. Für Leasinggesellschaften erzeugt die Einhaltung nationaler und internationaler Vorschriften zusätzliche Komplexität. Die Organisation hierauf aufzurüsten sorgt sowohl auf Personalebene als auch auf IT-Ebene für zusätzliche Kosten. Gleiches gilt für die erhöhten Anforderungen an die Datenerfassung. Leasinganbieter benötigen zusätzliche Daten, um ESG-Kriterien wirksam zu integrieren.

Auf der Seite der Unternehmen gibt es ebenfalls Hürden, die es zu überwinden gilt. Die Implementierung von ESG-Initiativen kann initiale Kosten verursachen. Beispielsweise könnten umweltfreundlichere Geräte teurer sein als konventionelle Alternativen, auch wenn dieser Nachteil durch die Nutzung von Förderprogramme teilweise abgemildert wird.

Vorteile

Die Integration von ESG-Kriterien auch eine Reihe von Vorteilen für Unternehmen. Zu diesen Vorteilen (v. a. aus Unternehmenssicht) zählen:

  • Absatz von „grünen Produkten“ im B2C- & B2B-Geschäft.
  • Finanzielle Vorteile: Viele Investoren bevorzugen heute Unternehmen, die nachhaltig und verantwortungsbewusst handeln. Dies kann zu besseren Finanzierungsbedingungen und niedrigeren Kapitalkosten führen. Studien zeigen, dass Unternehmen mit hoher ESG-Leistung tendenziell bessere finanzielle Ergebnisse erzielen und als weniger riskant angesehen werden. Beispiel: Eine Untersuchung der MSCI hat ergeben, dass Unternehmen mit hohen ESG-Bewertungen im Durchschnitt geringere Kapitalkosten und höhere Bewertungen haben. Dies zeigt, dass nachhaltiges Handeln direkt zum finanziellen Erfolg beitragen kann.
  • Risikominimierung: ESG-Initiativen helfen Unternehmen, Risiken im Zusammenhang mit Umweltverstößen, sozialen Unruhen und schlechten Governance-Praktiken zu minimieren. Dies führt zu stabileren und sichereren Geschäftspraktiken. Ein Beispiel hierfür ist die Vermeidung von Lieferkettenunterbrechungen durch die Auswahl sozialverantwortlicher Lieferanten.
  • Rechtlich auf der sicheren Seite: Durch die Integration von ESG-Kriterien stellen Unternehmen sicher, dass sie den immer strengeren gesetzlichen Anforderungen gerecht werden, die auf nationaler und internationaler Ebene gelten.
  • Personell auf der sicheren Seite: Eine ESG-Integration erfordert die entsprechende Kompetenz in der Belegschaft. Personal, das sich mit dem ESG-Themenkomplex auskennt, wird in Zukunft immer wichtiger.
     

Die IT von Leasinggesellschaften für die Integration von ESG fit machen

Das Leasinggeschäft wird aus Sicht der Leasinggesellschaften nicht nur immer strenger reguliert. Der Effizienzdruck in den letzten Jahren hat auch für einen hohen Automatisierungsgrad gesorgt. Ohne ständig besser werdende Leasing Software bzw. Leasing IT-Systeme wäre die Automatisierung nicht möglich gewesen. Aus diesem Grund sind über die oben genannten allgemeinen Herausforderungen hinaus die Rolle der IT von Leasinggesellschaften bei der Integration von ESG-Themen zu beleuchten.

ESG-Integration hat im Wesentlichen auf folgenden Ebenen der Leasing Systeme Einfluss: 

  1. Datenerfassung und -integration: Die Erfassung von ESG-Daten kann aus unterschiedlichen Quellen erfolgen, einschließlich interner Systeme und externer Partner. IT-Systeme müssen in der Lage sein, diese Daten effizient zu integrieren und sicherzustellen, dass sie korrekt und aktuell sind.
  2. Datenanalyse und Berichterstattung: Moderne IT-Systeme bieten leistungsfähige Analysetools, die es Unternehmen ermöglichen, ESG-Daten umfassend zu analysieren und detaillierte Berichte zu erstellen – sowohl für die eigene (Leasing-) Gesellschaft als auch für das finanzierte Portfolio. Diese Berichte sind nicht nur für die Einhaltung von Vorschriften wichtig, sondern auch für interne Entscheidungsprozesse und die Kommunikation mit Stakeholdern.
  3. Risikobewertung / Scoring: Die IT-Systeme von Leasinggesellschaften müssen in der Lage sein, ESG-relevante Punkte in die Bonitätsbeurteilung einfließen zu lassen, wiederum sowohl bei der isolierten Betrachtung einer Finanzierung als auch im bereits bestehenden (Investitions-) Portfolio der Leasinggesellschaft.
  4. Transparenz und Compliance: IT-Systeme unterstützen die Einhaltung von ESG-Vorschriften durch transparente und nachvollziehbare Prozesse. Sie ermöglichen die lückenlose Dokumentation aller ESG-relevanten Aktivitäten und erleichtern so ihre Nachvollziehbarkeit. 

Abschließend ist festzustellen: Um die ganze Bandbreite der Themenstellungen, die sich aus ESG ergeben, sind die unterschiedlichsten Daten erforderlich. Die tradierten Softwarelösungen bilden – über Erweiterungen – die „E“-Daten ab. Darüber hinaus braucht es einen „Data Lake“, in dem auch die „S“- und die „G“- Daten gesammelt, ausgewertet, reportet oder so aufbereitet werden können, dass die Verbesserung vorangetrieben werden kann (über das Setzen von Verantwortlichkeiten für einzelne Datenpunkte, die Definition von Zielwerten, ein Aufsetzen von Verbesserungsprozessen und das Nachhalten erzielter Ergebnisse).

Die Leasinglösungen der NAVAX Software GmbH können vor allem auf der Ebene „E“ einen wertvollen Beitrag für das Gelingen einer ESG-Integration leisten. Darüber hinaus werden Datawarehouse-Lösungen bereitgestellt, die den o. a. Data Lake aufnehmen.

Möglicherweise ist die ESG-Integration ein guter Impuls, auch Ihre Leasing Software bzw. Leasing Lösung zu überdenken? Gerne können wir das gemeinsam eruieren. Dann freuen wir uns auf Ihren Kontakt!
 

Philipp Oberleitner